Lieben auf Reisen: Lasst uns über die Liebe sprechen
Ein Problem, das sicherlich jede*r Langzeit-Reisende kennt: die Liebe. Entweder lässt man sie zu Hause zurück oder findet sie neu, bleibt etwas länger an einem Ort und hat eine schöne Zeit oder reist ein Stück zusammen. Das kann unheimlich bereichernd und so wunderschön, doch ebenso schmerzhaft zugleich sein. Denn meistens ist es nur von kurzer Dauer und will unter den gegebenen Umständen und Erwartungen einfach nicht funktionieren. Irgendwie gewöhnt man sich daran und lernt eher im Moment zu leben, als gemeinsame Pläne zu schmieden. Aber so richtig abstumpfen wird man wahrscheinlich nie – ich zumindest nicht. Dann sind eine Tasse Tee und ein langes Gespräch mit der besten Freundin wie immer die beste Medizin.
Normalerweise stelle ich meinem Lebensstil über fast alles, auch über die Menschen, die ich mag. Er drückt immerhin aus, wer ich bin und würde ich ihm nicht treu bleiben, könnte ich mir selbst nicht treu bleiben. Und wie sollen wir jemand anderen lieben und wertschätzen können, wenn wir es selbst nicht tun? So oder so ähnlich geht doch die Logik.
Vieles Reisen und Liebe – das kann irgendwie nicht zusammenpassen
Das viele Reisen und die Liebe scheinen jedoch nicht zusammenzupassen. Mit „Liebe“ meine ich in diesem Sinne eine tiefe, romantische Verbundenheit und nicht nur den bloßen Austausch von Körperflüssigkeiten. Sex und wilde Abenteuer gibt es im Urlaub und besonders auf Weltreise an vielen Ecken. Alle Reisenden befinden sich in einer Art Sondermodus, in einem Ausnahmezustand, herausgerissen aus ihren üblichen Beschränkungen, gesellschaftlichen Zwängen und Druck. Losgelöst von jeglichen Ängsten und Erwartungen.
Nimmt man dann doch den Reiz des Unbekannten und des Exotischen und den einfachen Umstand, dass man seine*n Gegenüber wahrscheinlich nach einer einmaligen Sache, ein paar Tagen oder einem gemeinsamen gereisten Reiseabschnitt nicht mehr wiedersieht, ist das vielleicht sogar die bessere Ausgangssituation auf Reisen. Man will ja nicht permanent jemanden vermissen.
Nicht, dass ich das Ausleben der eigenen Sexualität auf Reisen schlechtreden möchte. Etwas Unverbindliches kann fantastisch und äußert passend sein. (Vergesst jedoch bitte die Verhütung nicht!). Letzten Endes sind wir ja alle nur Menschen mit Sehnsüchten und dem Wunsch nach Nähe, den ich jedem zuspreche.
Doch was ich meine, ist etwas, das länger als nur ein paar Wochen hält und nicht nur die körperlichen Sehnsüchte, sondern auch die Seele befriedigt. Jemanden, der einen bereichert und Halt gibt. Etwas, das auch Bestand im Alltag haben kann, wie man so schön sagt – wobei, was ist beim Reisen schon Alltag?
Der Wunsch nach Nähe
Ich denke, gerade das viele Reisen verstärkt bei manchen Reisenden unterbewusst den Wunsch nach etwas Konstantem. Wenn man alle paar Wochen oder Monate weiterreist, die Menschen und Umgebungen häufiger wechseln, ist das natürlich spannend und Sinn und Zweck des Reisens, doch gleichzeitig hinterlässt man auch ein Stück von sich selbst an jedem Ort. Man lässt Gefühle, bekannte Gesichter, seinen Lieblingsbäcker und die hübsche Brünette, die immer am Strand ihr Buch las, zurück. Genau dann wäre es doch schön, einen oder eine Partner*in oder Reisebegleitung zu haben.
Auch ich hatte schon sehr nette Urlaubsbegegnungen, die in Flirts, Affären oder Freundschaft Plus endeten. Manchmal war ich geflasht und dachte an Liebe auf den ersten Blick, andere Male war es Gewöhnung. Mit Salz in den Haaren, Meeresrauschen im Rücken und ein Lagerfeuer im Rücken, während man den Erlebnissen eines braungebrannten Einheimischen oder anderen Reiselustigen lauscht – wie kann man sich bitte auch nicht in diesen Moment nicht verlieben? Und ihn vielleicht kurzfristig als „Liebe“ abtun?
Der gesunde Egoismus
Sobald wir kurz vor der Weiterreise die Versprechen ausgetauscht haben, uns wiederzusehen und jeder tatsächlich wieder allein seines Weges zieht, verblassen die Begegnungen meist auch schnell wieder und die Gefühle relativieren sich. Ich möchte mich nicht für einen Partner oder eine Partnerin einschränken oder mein Leben reduzieren. Jetzt nicht, noch nicht. Das mag vielleicht egoistisch klingen, ist es auch. Ich sehe es aber als ein gesundes Maß an Egoismus.
Was erwarte ich auch? In Deutschland oder in einem anderen Land der Welt sesshaft zu werden und ein gemeinsames Leben aufbauen? Vielleicht irgendwann, doch jetzt noch nicht. Jetzt möchte ich die Welt sehen und vielleicht einmal ein bis zwei Jahre an einem Ort leben, doch noch lange nicht sesshaft werden. Genau darum ist eine Beziehung, egal in welcher Form, nur mit jemandem möglich, der beruflich unabhängig und genauso reiselustig ist wie ich. So einen Menschen kann man nicht suchen, doch kann ihn zufällig treffen.
Unterwegs auf Reisen verlieben
Das habe ich getan, als ich es am wenigsten erwartete, als ich mich mit meinem Lebensstil und meiner Lebenssituation endlich abgefunden hatte. Ich habe ihn während meiner vier Monate in London kennengelernt. Als ich mehr Zeit bei ihm als in meinem gemieteten Zimmer verbrachte und ihn besser kennenlernte, wurde mir klar: Für eine feste Beziehung braucht es ähnliche Lebenseinstellungen, -Philosophien und -Ansichten und die Liebe erwischt dich, wenn du nicht dran denkst und es am wenigsten erwartest.
Ob es etwas Beständiges sein kann, merkt man sehr schnell. Du solltest die Beziehung als Bereicherung, nicht als Einschränkung in irgendeiner Art sehen. Nun bin ich wieder für eine Weile in der deutschen Heimat und wir führen eine Fernbeziehung, meine erste.
Natürlich muss ich Kompromisse eingehen, doch meinen Lebensstil ändere ich nicht. Brauche ich auch nicht, da es gar nicht von Bedeutung ist. Wir haben die gleichen Perspektiven. Vielreisen und Liebe können also zusammenpassen mit den richtigen Menschen.
Den Sprung aus dem Urlaub in die „Realität“, was viele immer als kritischen Punkt anführen, muss diese Beziehung nicht schaffen. Sie ist bereits dort angekommen, das Vielreisen ist die Realität.