Was Auswandern wirklich bedeutet
Jedes Jahr zieht es zigtausend Deutsche als Auswanderer ins Ausland für einen Neubeginn, des Geldes wegen, wegen des Fernwehs oder für die Arbeit. Und noch mehr träumen davon, diesen Schritt einmal zu wagen. Auswandern, der Lebensentwurf des Individualisten, ist zum Massenhype und eine vorstellbare Zukunftsoption für viele jungen Menschen geworden – egal, ob für den Freigeist ohne Ausbildung oder den hochqualifizierten Intellektuellen. Auf der Kehrseite sind Zuwanderer in Deutschland nicht gerne gesehen, zumindest, wenn sie unter dem Label „Flüchtlinge“ nach Deutschland kommen. Im Grunde genommen sind auch sie nur Auswanderer. Doch wie sehen es die Deutschen, wenn ihre eigenen Landsleute auswandern und Deutschland auf längere Zeit verlassen? Ist Auswandern gesellschaftsfähig?
Auswandern ist inzwischen eine Option für alle, unberücksichtigt des Alters, der Lebenslage, der finanziellen Umstände oder der Herkunft. Mit Serien wie „Goodbye Deutschland! Die Auswanderer“ auf dem Fernsehsender VOX werden Auswanderergeschichten nachgestellt.
Ein Kamerateam begleitet Deutsche, die meist von utopischen Vorstellungen geleitet und mit nur geringen finanziellen Mitteln ins Ausland auswandern. Und zwar dorthin, wo andere Urlaub machen. Solche Sendungen sind nur auf den Unterhaltungsfaktor ausgelegt und vermitteln den Zuschauern ein völlig falsches Bild vom Auswandern. Sie lassen es leicht erscheinen und fachen die Abenteuerlust an.
Warum die Deutschen auswandern
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes haben im Jahr 2017 251.358 Deutsche Deutschland den Rücken gekehrt. Die hauptsächlichsten Auswanderungsmotive der Deutschen sind zumeist das Sammeln neuer Erfahrungen und die beruflichen Perspektiven. Viele Qualifizierte suchen im Ausland die Möglichkeit, sich beruflich und sprachlich weiterzubilden.
Das Einkommen, die Lebensstandards und die Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland bilden eine untergeordnete Rolle, so zumindest in der letzten offiziellen Untersuchung des Bundesinstituts von Bevölkerungsforschung aus dem Jahr 2015.
Wie man sich das Auswandern selbst vorstellt
Bei 30 Grad Celsius mit der Kokosnuss am Strand, während das Home Office unterm Strohdach wartet. Nach dem Auswandern luxuriös mit dem angesparten dauerhaft Geld leben. In den osteuropäischen und südostasiatischen Ländern ist der Euro viel mehr wert.
Durch das Konzept der Geo-Arbitrage kannst du mit gleichem Einkommen in einer starken Währung deine Lebensstandards mit weniger Ausgaben in kostengünstigeren Ländern erhöhen, indem du die weltweit unterschiedlichen Lohnniveaus ausnutzt. Das Online Business macht es möglich, ortsunabhängiges und multikulturelles Arbeiten so wie die Freiberufler und digitalen Nomaden.
Viele junge Menschen wandern aus, um ihren Horizont zu erweitern. Eine Auslandserfahrung durch ein Jahr Au Pair, Work and Travel oder ein Auslandsstudium stärken die Sprachkenntnisse, fördern die interkulturellen Kompetenzen und steigern das Selbstbewusstsein. Außerdem werden Auslandserfahrungen und Aufenthalte heute gerne bei den zukünftigen Arbeitgebern auf dem Lebenslauf gesehen. Aber Moment, ist das überhaupt noch „auswandern“?
Wer ist überhaupt ein „Auswanderer“?
Ist eine Reise ohne Rückflugticket gleich ein Auswanderungsversuch?
Mitte des letzten Jahrhunderts war Auswandern noch eine große Sache. Menschen haben alles aufgegeben: ihren Job, ihren Wohnsitz, ihre Besitztümer rund die Familie und Freunde zurückgelassen, um mit einem Segelschiff oder überfüllten Frachter über die Weltmeere zu segeln. Oft mussten sie ihre Heimat unfreiwillig aufgeben, weil sie wegen ihres Glaubens verfolgt wurden oder wegen Hungersnöten oder Kriegszuständen.
Früher gab es aber auch noch kein Internet, keine Smartphones oder Billigflüge, die Menschen in wenigen Stunden quer durch Europa oder binnen 24 Stunden ans andere Ende der Welt bringen. Früher war es eine Entscheidung fürs Leben, heute kann man alles wieder relativ schnell rückgängig machen.
Was muss man heute überhaupt noch aufgeben? Mit Freunden und Familie kann man ganz leicht über das Internet in Kontakt bleiben. Flüge gibt es inzwischen so günstig, wer die finanziellen Mittel hat, kann den Sohn, die Tochter oder auch die eigene Mutter auf ihrem ausländischen Residenzsitz in der Toskana, der neuen Wahlheimat, besuchen.
Auswandern auf Zeit
Viele Arbeitgeber schicken ihre Angestellten für ein paar Jahre beruflich ins Ausland oder lagern Stellen aus. In vielen internationalen Berufsbranchen wie in der Wirtschaft, dem Finanzwesen, dem Journalismus oder der Politik sind längere Berufserfahrungen im Ausland im Lebenslauf fast schon Voraussetzung, um sich von der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt abzuheben.
Heutzutage kann man einen Zweitwohnsitz im Ausland haben oder jahrelang verreisen, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln oder im Glauben zu konvertieren. Vielleicht sollte man also nur noch in wenigen Fällen von der „Auswanderung“ sprechen, sondern eher von einem Umzug, außer man hat die feste Absicht, seinem Heimatland für immer den Rücken zu kehren.
Wie die eigenen Landsleute Auswanderer wahrnehmen
Unter dem oben genannten Bedingungen und unserer globalisierten Welt ist Auswandern zu einer weit verbreiteten Vorstellung geworden, die in vielen Köpfen der Menschen ihr Unwesen treibt. Auch wenn nur die wenigstens sie ausleben, sei es aus Angst, aus Bequemlichkeit oder aus finanziellen Nöten heraus.
Viele nennen Auswanderer neidisch „Weltenbummler“ oder beäugen sie kritisch. Andere kümmern sich nicht darum und begnügen sich damit, im Urlaub fremde Länder und neue Kulturen zu erforschen, weil sie für sich keine Notwendigkeit sehen, ihre Heimat, Arbeit, Familie und soziale Kontakte zurückzulassen, um sich ins Unbekannte zu stürzen. Denn genau das ist, was die meisten Auswanderer tun. Ihr Leben zurücklassen, es sei denn es gibt nichts, dass sie hält.
Viel interessanter als die Auswanderer finden die Deutschen nämlich die Menschen, die nach Deutschland immigrieren. Doch mit ihren Vorurteilen gegen Einwanderer und Flüchtlinge vergessen sie häufig, dass Deutschland zugleich vor allem auch ein Land der Auswanderer ist.
Auswandern realistisch sehen
Egal aus welchen Gründen, sollte man sich sein Vorhaben auszuwandern vorher gut überlegen und sich über das Land informieren. Es läuft nicht so ab, wie es uns die geschauspielerten TV-Soaps vorleben. Auch wenn du dich an einem Urlaubsort heimisch gefühlt hast, ist das nicht Grund genug dorthin auszuwandern. Die Reisekosten entsprechen nämlich meistens nicht den Kosten, die zum Leben dort benötigt werden und auch das Schulenglisch wird im Alltag nicht ausreichen, um sich zu integrieren. Das ist wie ein blinder Sturz ins Abenteuer.
Auch enttäuscht auf ein Deutschland zu schimpfen, dessen Sicherheitsstandards immer schlechten werden würden, bringt nichts. Es ist wesentlich schwieriger ein Land zu finden, das besser dasteht.
Sehr gut geschrieben! Bevor man auswandert, sollte man es vorher sehr gut überlegen und auch die finanzielle Situation realistisch sehen und sich nicht auf eine „mega“ Geschäftsidee vor Ort verlassen. Eine Auswanderung kann aber sehr erfolgreich sein, manchmal braucht man eben nur etwas Glück. 🙂